Happy Birthday, Haftbefehl! (36 Minuten)
Ein Videofilm von Bertram Rotermund und Oliver Tolmein
Das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik verfolgt die Bundesanwaltschaft ein Zeitungsprojekt als Ganzes, weil es eine „kriminelle Vereinigung“ sein soll. Vier junge Männer sitzen seit dem 13. Juni in Haft weil sie Mitarbeiter der 1976 gegründeten „radikal“ sein sollen, gegen weitere vier Menschen sind Haftbefehle erlassen, eine Person sitzt für fünf Monate in Beugehaft, weil sie sich geweigert, hat Aussagen zu machen, gegen weitere siebzehn hat die Bundesanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Film erzählt die Geschichte der „radikal“ und ihrer Verfolgung: 1984 wurden Benny Härlin und Michael Klöckner als angebliche Herausgeber der „radikal“ zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Statt ins Gefängnis zogen sie auf der Liste der Grünen ins Europaparlament ein. 1990 kassierte der Bundesgerichtshof das Urteil. 1987 wurden mehrere Buchhändler wegen Verkauf von „radikal“- Ausgaben zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt.
In „Happy Birthday, Haftbefehl!“ kommen Mitglieder der Hamburger Solidaritätsgruppe zu Wort, erklärt der Sprecher der Bundesanwaltschaft, warum eine Zeitung keine Zeitung sein soll, beziehen Hermann L.Gremliza von „konkret“ und Wolfgang Schimmel (IG Medien) Stellung zur Lage der Pressefreiheit. Die Montage von aktuellem und historischem Material zeigt, wie sich das politische Klima im Land seit den 80er Jahren verändert hat.
Die Dreharbeiten wurden begleitet von einer wochenlangen juristischen Auseinandersetzungen mit Bundesanwaltschaft und Bundesgerichtshof. Die Justizbehörden haben erfolgreich verhindert, daß ein Interview mit dem seit 13. Juni 1995 inhaftierten Ralf M. geführt werden konnte. Es gebe, so die bemerkenswerte Argumentation des Ermittlungsrichters am BGH, Dr. Beyer, kein allgemeines öffentliches Interesse an dem Verfahren, sondern nur das Interesse der „Sympathisanten-Szene“. Deswegen wiege das Recht des Beschuldigten auf Meinungsfreiheit geringer als das Interesse des Staates an einer „ungehinderten Ermittlungstätigkeit“.
Ein Anliegen des Films ist auch, gerade dieses Verständnis von Meinungsfreiheit und Öffentlichkeit zu thematisieren.